Geschichten

Der kleinste Stein oder die unendliche Geschichte

(Dagmar Geyer)

An einen flachen Berghang lag ein kleiner Stein. Er lag da so rum und blickte um sich. Dabei sah er unten am Berg einen anderen kleinen Stein, dem es sehr schlecht ging.
Der kleine Stein überlegte, wie er dem anderen Stein wohl helfen könnte. Er mußte hin, aber wie,
wie sollte er sich in Bewegung setzen?! Er versuchte es nach allen Seiten und nahm seine ganze
Kraft und Liebe und siehe da, plötzlich setzte er sich langsam in Bewegung. Es war ein beschwerlicher
Weg, doch er bewegte sich langsam Stück für Stück vorwärts. Auf einmal rief ein anderer Stein;" He,
kleiner Stein, wo willst du hin?" Er antwortete;" Weit unten am Berg geht es einem Stein schlecht, ich will ihm helfen." "Wie willst du ihm helfen" fragte der andere Stein. "Ich gebe ihm ein großes
Stück meiner Kraft und ganz viel von meiner Liebe."antwortetete der Stein. "Nimm mich mit,
Zwei helfen besser als einer". So hängte sich der eine Stein an den anderen und sie gingen zu
zweit.Auf ihrem beschwerlichen Weg trafen sie noch viele Steine, die sich an sie hängten und so wuchs
das ganze zu einem riesigen Felsen heran, der nur ein Ziel hatte: Kraft und Liebe weiterzugeben
und zu helfen. Als der große Felsen vor dem kleinen Stein stand, dem es so schlecht ging,
glühte er fast vor Liebe und strahlte somit eine wunderbare Wärme aus, so daß sich auch dieser
Stein wieder wohl fühlte. Er spürte die Kraft und die Liebe, die von diesem wunderschönen
Felsen ausging und schloss sich ihm an.
Aber Stop, war es wirklich so? Konnte der kleine Stein sich wirklich von allein bewegen? Oder waren
da nicht diese wunderbaren Wesen aus der Ewigkeit, Engel aus dem Land hinter dem Regenbogen,
die Tag und Nacht auf uns schauen und uns beschützen. Einer von ihnen sagte:" Die Welt hat zu wenig Liebe,
lasst uns einen Stein ins rollen bringen." Und so zeigten sie dem kleinsten Stein den Weg und als er
gehen wollte, hoben sie ihn sanft an und trugen ihn ein Stück. Sie hoben einen zweiten und dritten an,
bis ein riesiger Felsen entstand. Sie gaben ihm soviel Kraft und Liebe, daß der Felsen sich fast allein
bewegte. Bergauf schoben sie ihn sanft ein wenig an, bergab hielten sie ihn sachte fest, so daß er
seinen Weg immer weiter gehen konnte und allen, denen es schlecht ging, Kraft und Liebe spendete.
Und die Engel sprachen:" Wir müssen gut auf den Felsen aufpassen, daß er immer rollt und immer hilft!"
Das werden sie auch schaffen, denn wir kennen sie doch alle. Waren sie doch alle schon zu Erdzeiten Engel!







Ein Tag ist so gut, wie der andere!
(Dagmar Geyer)

Eine Frau trat eine Auslandsreise an. Sie wollte 10 Tage bleiben. Alles war gut durchdacht. Sie mußte dann ja schließlich wieder heim. Wichtige Ereignisse waren dann, eine Hochzeit von guten Freunden, der runde Geburtstag ihres Onkels, und dann ihr eigener Geburtstag. Ja 10 Tage konnte sie sich erholen und dann hätte sie noch genügend Zeit, zu den Festen einiges vorzubereiten. Doch am 6. Tag wurde sie krank. Sie bekam Malaria und mußte in ein Krankenhaus. Es ging ihr sehr schlecht und sie dachte an die doch wichtigen Feiern. Hoffentlich würden nicht alle ohne sie stattfinden. Die Hochzeit kam und die Frau lag noch mit sehr hohem Fieber im Krankenhaus. Doch das Brautpaar und die Gäste dachten an die Frau und riefen sie an diesem Tag an. Sie sagten ihr, wie sehr sie doch fehlt und das alle hoffen, sie würde bald wieder gesund. Von den Gästen sprach jeder kurz mit ihr. Sie war sehr gerührt und das machte ihr Mut. Als es abends schon dunkel war, schaute sie durch ihr Fenster Richtung Himmel und bedankte sich für das schöne Erlebnis, daß sie an diesem Tag hatte. Plötzlich bemerkte sie die Kleinigkeiten, die täglich passierten, ein liebes Wort einer Krankenschwester, ein tröstendes eines anderen Patienten, sie sah die Wolken wieder und bewunderte ihre schönen Formen. Manchmal waren es nur 2 Minuten, an denen sie sich aber für den Rest des Tages erfreuen konnte. Den runden Geburtstag ihres Onkels verbrachte sie auch in der Klinik und wieder riefen alle bei ihr an und machten ihr Mut. Sie hoffte sehr, zu ihrem eigenen Geburtstag zu Hause zu sein, aber auch das klappte nicht. Doch sie bekam viele Gäste an diesem Tag. Man hatte eine Torte für sie gebacken und ihr schöne Geschenke mitgebracht. Soviele hatten an sie gedacht. Am Abend, als es dunkel war, schaute sie wieder gen Himmel und bedankte sich und doch stellte sie dazu die Frage:"Warum nur konnte ich nicht wenigstens heute zu Hause sein?!" Da erschien ihr ein Engel. Er antwortete: "EinTag ist so gut, wie der andere, gute Frau! Ihr unterscheidet hier die Tage in wichtige, wie Hochzeit, Geburtstag, Weihnachten, Ostern, Muttertag, ja auch Sterbetage und nicht so wichtige. Das sind für euch die, die dazwischen liegen. Dabei ist jeder Tag etwas Besonderes. Du hast dich in den letzten Wochen an den kleinsten Kleinigkeiten erfreuen können. Sie sind es, die jeden Tag zu etwas Besonderem machen. Und wenn du nach Hause kommst, dann feier deinen Geburtstag einfach nochmal. Ob es nun dieses oder ein anderes Datum ist, es spielt keine Rolle. Es wird immer ein besonderer Tag sein, so, wie jeder eben. Ein Tag ist so gut, wie der andere." Mit diesen Worten war der Engel gekommen und auch wieder gegangen. Die Frau aber hatte verstanden. Es war garnicht wichtig, ob ein Ereignis hinter einem Tag steht oder nicht. Es sind alles besondere Tage. Es ist an uns, jeden Tag zu etwas Besonderem zu machen und es ist garnicht schwer.

 

 

Die Reise


Schnurks düste fröhlich durch das Universum. Freunde düsten mit ihm. Eine Zeit lang schwebten sie, dann rasten sie wieder wie Raketen, machten an einer Sternenspitze stop und liesen sich von dort in den hellen Tag plumsen. Und von da düsten sie wieder zurück in ihr Land. Sie spielten alle Spiele, die ihnen einfielen und waren überglücklich. Als Schnurks nach Hause kam, setzen sich die Eltern mit ihm hin: "Wir müssen etwas mit dir besprechen, Schnurks!" Liebevoll umarmten sie ihr KInd "Schnurks, es ist jetzt soweit! Du möchtest groß werden und dazu mußt du eine Aufgabe erfüllen!" Schnurks freute sich:"Uh toll, groß werden! Was muß ich machen?" Der Vater sagte liebevoll: „Du mußt auf eine Reise gehen, aber allein. Und du kannst da auch nicht mehr den ganzen Tag spielen. Du kannst da überhaupt nicht mehr schweben und düsen. Du mußt einen Augenblick stille sitzen." "Das krieg ich hin, wohin muss ich?"                                              
Die Mama schiebt die Wolkengardine etwas zurück und zeigt auf ein Haus. "Da wohnt eine Familie, Schnurks. Sie werden morgen ein Baby bekommen. Es wird eine Junge werden und sie werden ihn nicht Schnurks rufen, sondern NINO. Um ihn zum Leben zu erwecken, mußt du in seinen Körper. Du kannst dann nicht mehr sprechen für einen Augenblick und wenn du es da kannst, geht es nur über Bänder, die das Baby in sich hat. Von hier kannst du nichts erzählen. Der kleine Mensch wid immer mal Hunger und Durst haben. Du weißt nicht, was es ist, Schnurks, aber du wirst es dort an seinem Inneren sehen und spüren. Er wird auch mal Schmerzen haben, Körperschmerzen und Schmerzen der Psyche. Du wirst sowas nicht spüren, aber du wirst merken, wenn er traurig ist oder weint. Achte gut auf die Psyche. Von ihr nimmst du ein kleines Stück mit hierher zurück. Deine Aufgabe ist es, den Menschen um dich herum Liebe zu schenken." Schnurks lacht, er kriegt sich kaum noch ein vor Lachen! "Das ist alles, nur Liebe schenken? So leicht ist das? Groß werden ist ja ganz einfach!"                                          
Der Vater streichelt ihn:"Schnurks, das ist dort ein wenig anders. Du wohnst in einem Menschen und die haben auch Eigenschaften, die wir hier nicht kennen. Und auch die Menschen um sie herum haben solche Eigenschaften. Sie werden Liebe nicht immer annehmen. Sie können wütend sein, sogar hassen, sie können verzweifelt sein oder traurig. Du kennst das alles nicht und du kannst es auch nicht fühlen, du kannst es ihnen nur ansehen oder dich an ihre Psyche wenden. Und der mußt du immer helfen. Es ist eine schwere Aufgabe in dem Haus des Menschen, Liebe zu schenken. Aber es ist eine gute Familie, in die du kommst." Schnurks versteht das wirklich nicht, er kennt ja nur  sein zu Hause: "Das kann doch nicht schwer sein, das ist doch das Einfachste überhaupt! Ich dachte, ich könnte die Welt erobern oder so etwas!" Die Mutter sagt: "Glaub mir Schnurks, das wäre eine leichtere Aufgabe, denn dazu bräuchte ein Mensch nicht viel Liebe. Deine Aufgabe ist schwerer. Aber du hast eine gute Grundlage. Du hast eine sehr gute Mutter. An sie mußt du die meiste Liebe geben, weil                                          
 du vor ihr wieder nach Hause darfst. Sie wird sehr um dich weinen, aber wenn du ihr genug Liebe gibst, wird es für sie ertäglich und sie kann den Rest ihres Menschenlebens davon zehren. Aber vergiß auch die anderen nicht. Du wächst an jeder großen Liebe, die du den Menschen in schlimmen Zeiten so gibst, daß sie auch bei ihnen ankommt!" Schnurks grübelt die Nacht, ob das wohl wirklich so schwer ist. Er denkt darüber nach, was er alles machen kann, denn er will ja groß werden, sich einen eigenen Namen aussuchen und eine Frau. Und er will Kinder haben. Am anderen Tag verabschieden sich die Eltern liebevoll von ihm für den Augenblick, den er im Menschen wohnt. Sie sagen ihm, daß sie da sind und immer nach der Familie sehen werden. Schnurks geht auf die Reise in ein kleines Baby. Er bleibt ganz still im Körper. Man soll ihn weder hören, noch sehen, nur fühlen. Immer, wenn das Baby schreit, versucht er es zu beruhigen, aber diese Mama ist meistens schneller als er. Er sieht vom ersten Tag an, was Hunger und Durst und Essen und Trinken ist. Er denkt sich dabei: was für komplizierte                                           
 Vorgänge! Ab und zu schafft er auch, das Baby zu beruhigen und ist sehr zufrieden mit sich. Er beobachtet die Vorgänge beim Wachstum des Kindes und findet es faszinierend. Manchmal weint das Kind, weil es Schmerzen hat, machmal ist auch seine Psyche traurig. Aber immer ist da diese Mamafrau schneller. Sie gibt dem Kind soviel Liebe ab, daß Schnurks manchmal denkt, es bräuchte seine Liebe nicht mehr. Aber er lernt schnell. Er gibt über das Kind Liebe an die Mutter ab und er kann sehen, wie glücklich sie das macht. Dann macht er es weiter an den Vater, an die Großeltern, Geschwister, alles, was um dieses Kind ist, versorgt er mit unendlich viel Liebe. Und das Kind bekommt diese Liebe oft zurück. Schnurks muss aber feststellen, daß er nicht an alle Körper kommt mit seiner Liebe. Er kann es garnicht fassen, wie komliziert diese Menschen manchmal sind. Aber gerade bei denen versucht er es immer und immer wieder. Und manchmal dringt er kurz durch. Schnurks sieht die Freuden des Kindes, aber auch seine Leiden. Er versucht immer, sein Allerbestes zu                                             
 tun, um die Leiden zu lindern. Das macht diese Mama aber auch und Schnurks stellt dabei fest, daß diese Mama genauso leidet, wie das Kind. Also versucht er über das Kind die Leiden Beider zu lindern und schafft auch das. Dann sitzt die Mama immer mit ihrem Kind zusammen und sie erzählen sich Sachen oder sie machen zusammen was Schönes. Schnurks hat schon einen dicken Draht zur Mutter mit aufgebaut und er findet es toll. Er liebt diese beiden Menschen und eigentlich hat er seine Aufgabe schon erfüllt und könnte das Menschenhaus verlassen. Er versteht sich blendent mit der Psyche, sie ist schon an ihn gewachsen. Aber er bleibt noch ein klein wenig länger. Das darf er auch. Irgendwann will und muss er aber nach Hause. Sein Augenblick ist um. Das Menschenhaus zerfällt, denn Schnurks hat es verlassen. Er kommt als Erwachsener zurück, der sich nun einen eigenen Namen aussuchen darf. Schnurks sagt stolz: "Ich möchte ab jetzt NINO heißen!"
                                   
Seine Eltern freuen sich mit ihm und alle Anderen auch. Doch bevor er wieder schweben und düsen geht, bevor er sich auf die Suche nach einer Frau macht, beobachtet er das Haus. Die Mutter ist verzweifelt, sie ist von Trauer überfallen. Ihr Gesicht ist feuerrot von Tränen. Dem Vater geht es fast genauso. Und alle Angehörigen leiden furchtbar mit.  Schnurks, der jetzt NINO heißt, hat ja  dessen Psyche. Und sie hatten so einen guten Draht zur Mutter. Also versucht er sie zu erreichen. Durch die Trauer war schwerer durchzukommen, als durch jedes andere Gefühl. Aber NINO gab nicht auf. Er liebte diese Frau und wollte auf keinen Fall, daß sie so traurig ist. Es dauerte Erdenjahre, bis er es geschafft hatte. Für NINO war es nur ein Augenzwinken, für die Mama eine sehr lange Zeit. Er hat sich mit ihr verbunden und lässt sie oft spüren, daß er noch da ist und es ihm so gut geht. Und die Mama kann es nun endlich fühlen und sich freuen. Er lässt sie ab und zu kurz in sein Leben ein und danach ist sie überglücklich, denkt an die schönen Zeiten mit ihm. NINO hat ihr zu verstehen                                         
 gegeben, daß er da ist, wenn sie ihre Rückreise antritt und dann richtig toll mit ihr und all den Leben hier feiert.
 
Die Mama weiß jetzt, daß sie noch bleiben muss. Aber irgendwann macht sie sich auch wieder auf die Reise und dann freut sie sich auf ein Wiedersehen mit ihrem geliebten NINO.
                                           

 

 

Der rote Baum


Im Laubwald tuschelten die Bäume miteinander. Sie spaßten und unterhielten sich. Etwas abseits von ihnen, allein, mitten auf einer Wiese stand ein einzelner Baum. Er hatte mehrmals versucht, mit zu tuscheln, aber die Laubbäume lachten ihn aus. "Du gehörst nicht zu uns, sieh dich doch nur an!" hatten sie zu ihm gesagt. Er antwortete ihnen, daß er auch ein Laubbaum sei, aber da lachten die anderen noch mehr. "Schau uns mal an, wir sind alle grün" haben sie ihm erklärt, "und du bist rot! Du kannst nicht zu uns gehören!"
Daraufhin stand der rote Baum einsam und sehr traurig auf der Wiese, abseits von anderen Bäumen. Jede Nacht weinte er. Tränen rollten in Form von Harz an seiner Baumrinde entlang. Und mit jedem neuen Tag schimmerten genau diese Tränen golden in der Sonne.
Allein gelassen von der Welt, verachtet und ausgelacht von Seinesgleichen fragte er sich, wozu er überhaupt da ist. Dabei bemerkte er in seiner stattlichen Größe nicht, daß die Gräser und Blumen und Käfer auf der Wiese zu ihm aufblickten und ihn bestaunten. Er war einfach zu groß, um das zu sehen und nahm sich selbst auch nicht so wichtig, um das zu bemerken..
Die Blumen schickten ein paar Käfer zu ihm hinauf. Sie sollten mit ihm reden. Der Weg am Baumstamm war beschwerlich für die Käfer, nicht, weil sie da hoch krabbeln mußten, nein, sondern weil überall kleine Goldtränen hingen. Sie wagten sich nicht, darauf zu treten, sie krabbelten immer drum herum. Als sie endlich spürbar und sichtbar
 für ihn angekommen waren, nahm er sie freundlich auf. Er sah, daß sie ganz schön aus der Puste waren. So hob er sie vorsichtig mit einem Ast und setze sie auf eine Stelle, wo sie verschnaufen konnten und wo er sie sah.
Ein Marienkäfer stellte sich vor: "Ich bin Pünktchen und komm mit meinen Freunden unten von der Blumenwiese. Du bist so wunderschön und doch immer so traurig. Warum eigentlich? Wir bestaunen dich jeden Tag. Aber du kannst uns nicht sehen. Du bist zu groß dafür!" Der rote Baum war überrascht und freute sich: "Ihr bestaunt mich? Die anderen Bäume verachten mich und lachen mich aus, weil ich rot bin und nicht grün, wie sie. Deshalb bin ich immer so traurig. Jeden Tag sagt mir einer von ihnen einen gemeinen Satz und jede Nacht weine ich, weil ich dachte, ich bin hier ganz allein. Ich kann wirklich nicht so weit nach unten schauen und das ärgert mich gerade. So habe ich nicht einmal gemerkt, daß ihr mich bestaunt. Aber sagt mir doch, warum?
Pünktchen lacht: "Na weil du rot bist und goldene Tränen am Stamm hast, die in der Sonne wunderbar schillern. Aber deshalb mußt du nicht mehr weiter weinen. Die Tränen , die an deinem Stamm sind reichen aus. Der Weg zu dir hier rauf war dadurch schon schwer genug!" Die Käfer lachten alle und Pünktchen meinte weiter: " Du bist etwas ganz Besonderes und erfüllst auch einen ganz besonderen Zweck, einfach nur, weil du rot bist. Bis auf deine Art Genossen erfreuen sich nämlich alle an dir!"
Pünktchen hatte gerade zu Ende gesprochen, als sie alle sehr viel quirliges Leben aus dem Laubwald hörten. Eine Schulklasse war
 darin und die Lehrerin erklärte den Kindern gerade die Bäume und Pflanzen. Die lebhaften Kinder fragten alle durcheinander und der Laubwald war überglücklich über das Interesse.
Doch ein neugieriges Mädchen, daß sich bis an den Rand des Waldes gewagt hatte, schrie laut. "Kommt mal alle hier her. Das ist der Hammer, sowas Schönes habt ihr noch nie gesehn.“ Die Klasse rannte auf die Wiese und die Lehrerin hinterher. Sprachlos standen sie vor dem roten Baum. "Er steht extra, weil er wohl etwas ganz Besonderes ist", sagte das Mädchen, " Was ist das für einer und warum ist er rot" fragte sie die Lehrerin. Doch die konnte ihr die Frage nicht beantworten. Nie zuvor hatte sie so einen wunderschönen Baum gesehen. Sie sagte: " Du hast Recht, er ist etwas ganz Besonderes. Vielleicht wird er von der Sonne so hell angestrahlt, daß er rot ist. Ich weß es nicht, warum er so rot ist, nicht wissenschaftlich. Aber menschlich kann ich euch sagen, daß er so ist, um Freude in unser Leben zu bringen. So werden wir unsere Pause unter diesem Baum machen und uns an ihm erfreuen. Und wir werden es weiter erzählen, damit sich auch andere Menschen an ihm erfreuen können!"
Der Baum war überglücklich und Pünktchen küßte seinen Zweig und sagte: "Siehst du, du brauchst nicht mehr traurig sein. Du spendest soviel Freude und Trost, das bekommt man irgenwann zurück!"
Das Mädchen saß mit der ganzen Klasse unter dem Baum und fragte die Lehrerin: "Wir wissen nicht, was das für ein Baum ist und auch nicht, warum er so aussieht. Wenn wir es weiter erzählen, was
 sollen wir den Leuten sagen, wo sie hin sollen?" Die Lehrerin lachte: "Wir sagen, daß sie zum roten Baum gehen sollen und das sagen wir besonders denen, die traurig sind!"
Die Laubbäume gaben sich noch immer nicht mit dem Baum ab, aber das machte ihm nicht mehr soviel aus. Er war keinen Tag allein. Jeden Tag kamen Menschen, um ihn zu bestaunen, um Trost zu suchen, um die Sorgen mal ein Weilchen zu vergessen, einfach um sich zu erfreun. Und auch, wenn er manchmal selbst noch traurig war, strahlte er für diese Menschen mit all seiner Kraft Feude aus, der rote Baum.
                                                   
 

 

 

 Als wir gerade auf die Welt kamen!


Wir kommen von zu Hause in den menschlichen Körper. Aber außer den Kindern weiß niemand mehr, wo zu Hause ist. Und wenn die Kinder uns das erzählen wollen, denken wir, sie haben einfach nur viel Phantasie und glauben ihnen nicht. Manche Mamis tun es noch mit einem Lächeln ab und loben das Kind, wie schön es erzählt hat. Andere dagegen machen dem Kind klar, daß es sowas nicht gibt, daß es sich das nur ausgedacht hat. Und das verzweifelte Kind weiß nicht, wie es seiner Mutter, die für das Kind ja klüger, toller und überhaupt das Beste auf der Welt ist, beibringen soll, das es dies alles gibt.
Als wir nämlich gerade auf die Welt kamen, da wußten wir noch alles ganz genau. Wir konnten zwar die Menschenwelt noch nicht sehen oder nur ein paar Schatten, dafür sahen wir noch ganz klar unser zu Hause in all seinen Farben in seiner wunderbaren Pracht mit all seinen Klängen und vor allem mit all seiner Liebe.
Aber die Liebe spürten wir von den Menschen, die nun um uns waren, fast genauso sehr.
Und dann wollten wir loslegen und ihnen erzählen, wo wir herkamen, wie es da ist, einfach alles.
Und noch bevor wir das konnten stand ein Engel an unserer Seite und drückte uns den Zeigefinger zwischen Nase und Mund. Dabei sagte er leise: "Psssssssssssst!" Diese Stelle vom Abdruck des Zeigefingers vom Engel kann man beim Menschen ein Leben lang sehen. Wissenschaftlich nennen die Menschen diese Rinne Philtrum, weil sie es halt nicht mehr wissen. Was für ein komischer Name.
Auf jeden Fall kann das Neugeborene danach nicht mehr sprechen. Es versucht, Geräusche von sich zu geben, aber es wird immer nur ein
Schreinen. Was soll es also nun tun?! Es schaut die neuen Weggefährten an und seine Umgebung. Es versucht immer mal wieder, zu erzählen, aber es endet entweder in ein paar Selbstlauten oder in Geschrei. Dabei merkt es allerdings, daß immer jemand kommt, wenn es Schreilaute von sich gibt und irgendwann, wenn es alleine liegt und Gesellschaft will, weiß es, was es tun muß.
Das Baby beginnt nun, die neue Welt zu erkennen, auch in all seinen Farben in aller Pracht und die liebevollen Menschen um sich herum. Die zeigen dem Baby andere Sachen und sprechen mit ihm, versuchen dabei, ihm diese Sprache beizubringen. Aber das ist ja nicht alles. Sie stellen es irgendwann auf dem Boden und machen Schrittchen mit ihm. Das ist viel anstrengender, als fliegen und schweben. Dazu lernen sie den Baby, winke winke machen oder Bussi geben oder den Bauch streichen, wenn es gut geschmeckt hat. Das Baby ist davon so abgelenkt, daß es einen Teil seiner Welt vergißt, denn alles andere ist sehr anstrengend.
Als es größer wird, lernt es immer mehr von den Menschen. Es muß sich oft konzentrieren und kann dadurch , auch wenn es sich anstrengt, das alte Zu Hause nicht mehr sehen. Nur manchmal, wenn es etwas Ruhe hat, kommen Bilder in den Kopf und dann muß das Kind sich mitteilen. Unter anderen Kindern ist es eigentlich ganz leicht. Aber wenn man Mama und Papa das sagt, verstehen sie es nicht. Sie lachen meistens nur. Aber auch gut, hat man ihnen wenigstens eine Freude gemacht.
Je älter das Kind wird, umso weniger kann es sich daran erinnern. Der Leistungsdruck in unserer Gesellschaft verlangt von den Kindern und auch uns viel zu viel. Dabei sind wir doch mal hier her gekommen, um zu leben und zu lieben und zu lieben und zu leben. Aber es wird alles anders. Natürlich tun wir auch lieben und leben, aber zu wenig. Es ist ein gesellschaftliches Problem. Man will sich das Eine oder Andere anschaffen, ob man es nun braucht oder nicht, man möchte es haben und dafür muß man arbeiten. Der Eine hat mehr, der Andere weniger und das führt auch zu Neid unter den Menschen. Sie sind so mit sich und dem ganzen Kram unserer Gesellschaft beschäftigt, daß ihr Kopf garnicht mehr frei ist für
Gedanken, wo wir einmal herkamen und warum wir hier her gekommen sind.
Und dann geht wieder einer nach Hause, meistens ohne viele Worte und friedlich, vielleicht, weil er davor sein zu Hause schon ein Stück weit sehen darf. Das macht ihn ruhig.
Doch die Dagebliebenen kommen damit nicht klar, sie haben es nie gelernt und sowas kann man auch nicht lernen. Sie kannten ihr zu Hause, ihre Familie, ihre Freunde, ihre Arbeit, ihre Hobbys und sie planten für die Zukunft. Sie lebten ein bisschen in der Gegenwart, aber viel in der Zukunft. Sie wußten schon im Januar, wo sie  Juni  Urlaub machen. Sie hatten Pläne für ihre Kinder. Klar wußten sie, daß die nicht alle gelingen, weil die Kinder ja auch selbst entscheiden, aber es mußte ja etwas da sein, eine Reihenfolge, wie etwa alles abläuft.
Und plötzlich wird diese Reihenfolge jäh unterbrochen. Wenn man immer nur arbeitet, plant, tut und macht, wie soll man soetwas verstehen.
Und dann kehrt Ruhe ein. Man kann zwar nicht schlafen, aber es wird ruhig um Einen. Und wenn man irgendwann wieder schlafen kann und sich ganz fallen lässt, sich ganz dem Ungewissen hingibt, dann hat man vielleicht Glück und sieht eine andere wunderbare Welt in einer herrlichen Farbenpracht, mit wunderbaren Klängen mit so unendlich viel Liebe und vielleicht, aber nur vielleicht einem Engelchen, daß nach der Geburt bei Einem stand und ganz sanft seinen Zeigefinger zwischen unseren Mund und unsere Nase drückte, gleich, als wir gerade auf die Welt kamen.